Foto: E. Hallemann

Wehrkirche zu Hoheneggelsen

Wir befinden uns am Ostrand eines langgestreckten Jurakalkrückens des an seiner höchsten Stelle 111,5 m hohen Messeberges. Hoheneggelsen liegt an der mittelalterlichen Heer- und Handesstrasse, der heutigen B1. Der Ort wurde urkundlich im Jahre 1064 n.Chr. als Ecgolvesheim erstmalig urkundlich erwähnt und es ist zu vermuten, dass im Gebiet der germanischen Cherusker ein Mensch namens Ecgolf der erste Ansiedler war, der an einer der Quellen am Hang der Anhöhe sein Heim baute.

Die Anfänge des Christentums liegen im Dunkeln, aber mit einiger Sicherheit wurde die spätere „Tochterkirche“ Hoheneggelsen – wie die umliegenden Orte – auf Anweisung eines Hildesheimer Bischofs von der Archediakonatskirche Nettlingen aus missioniert. Die erste Taufkapelle, später als Wehrbefestigung zum Schutz in unruhigen Zeiten ausgebaut, wurde auf einer vormals heidnischen Thingstätte an der Stelle des heutigen Turmes errichtet. Das genaue Entstehungsdatum ist nicht mehr bekannt, allerdings wird sie schon 1235 zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Sie trägt den Namen des aus der Legende bekannten Heiligen St. Martin (Bischof von Tours), war nie Patronatskirche, wurde also immer von den Bauern („Mennen“), also den Markgenossen des Dorfes unterhalten.

Die erste lutherische Predigt wurde hier schon im Jahre 1529 von Friedrich von Hütenthal, einem aus Göttingen kommenden ehemaligen Franziskanermönch, gehalten. Am 20. Oktober 1542 wurde durch die Visitation des Schmalkaldischen Bundes im gesamten damaligen „Amt Steinbrück“ die Reformation offiziell eingeführt: Deutsche Messe, Predigt und Gesang in der Muttersprache sowie der Gemeinschaftskelch des Heiligen Abendmahls. Der Pastor hieß Heinrich Wartkenstede.

Wir beginnen unseren Rundgang durch diese typisch romanische Wehrkirche im Wehrturm, dem ältesten Teil des Bauwerkes, in der ursprünglichen Taufkapelle: Schießscharten und stabiles Mauerwerk weisen auf die zweite Funktion hin. Übrigens war es nur getauften Christen gestattet, sich in Notzeiten hier zu verschanzen – die Heiden mussten draußen bleiben! Ursprünglich gab es keinen Durchgang zur Kirche. Das Dach des bis zur Bekrönung 31 m hohen Turmes war früher mit Schiefer gedeckt und erhielt erst 1949 seine heutige Kupferbedachung. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Turm als Gedenkstätte mit Gedenkbuch für die 1939-45 Gefallenen umgestaltet und auch die vorher im Chorraum hängende Tafel der Gefallenen des Ersten Weltkrieges hier angebracht.

(c) unbekannt

Nach einer aufwendigen Renovierung des gesamten Kirchenraumes wurde im Jahr 2012 – damals Deutschlandweit für eine Landgemeinde einmalig – im Turm ein Kolumbarium errichtet. Seitdem ist hier in dafür vorgesehenen Wand- und Glaskuben die (oberirdische) Beisetzung von Urnen möglich. Diese Beisetzungsform erfreut sich inzwischen großer Beliebtheit. Um Trauernden den Zugang zum Kolumbarium zu ermöglichen ist die Außentür des Turmes sommers (8-18 Uhr) wie winters (8-16 Uhr) geöffnet. Aus dem Kolumbarium heraus hat der Besucher einen wunderbaren Blick in die Wehrkirche.

Im Kirchturm hängen drei Glocken, deren Geläut einzigartig im Landkreis Hildesheim ist. Sie wurden 1924 von den Bochumer Gussstahlwerken geliefert und künden in ihrem Dreiklang von der Dreieinigkeit Gottes. Zur besonderen Läuteordnung der Kirchengemeinde gehört das tägliche Läuten der Betglocke (6, 11, 18 Uhr) mit ihren neun Schlägen (entsprechend den neun Bitten des Vaterunsers), die Ernteschauer während der Getreideernte im Hochsommer (täglich um 10 Uhr) und das Geburtsläuten zur Begrüßung eines neuen Erdenbürgers (11 Uhr).

Wenn wir nun das Kirchenschiff vom Kolumbarium aus betreten, befand sich unmittelbar links in früheren Zeiten der Sitzplatz des Amtmannes von Steinbrück. Die traditionellen Plätze der Mölmer Kapellengemeinde befinden sich auf der linken Empore. 1678 erhielt das Kirchenschiff ein neues Aussehen: Die kleinen romanischen wichen großen Fenstern und eine neue Balkendecke wurde eingezogen, bald danach verziert mit dem „Auge Gottes“. Über uns an der Turmwand steht die 1872 von Meister Schaper aus Hildesheim erbaute Orgel, die 1937 zuletzt gründlich renoviert wurde.

Auf dem Weg zum Chor- und Altarraum begleiten uns an den Emporen links die Apostelbilder, die ursprünglich in der Matthiaskirche des Unterdorfes hingen (Bartholomäus und Thaddäus sind verlorengegangen, Matthias hängt über dem Taufstein der Matthiaskirche). An der rechten Empore sind die Evangelisten zu sehen und das Bild einer lutherischen Taufe – alle Gemälde wurden 1706 von Johannes Niehus in Hildesheim gemalt.

Über zwei Stufen betreten wir den Chorraum, der erst nach Turm und Kirchenschiff an die Kirche angebaut wurde. Ursprünglich waren auch hier Emporen vorhanden. Wir stehen vor dem 1688 angeschafften Taufstein – aus aus dem Wohldenberge gebrochenem Sandstein, vom Bildschnitzer Bartels angefertigt, vom Maler Schlaberg, beide Hildesheim, bemalt. Die Taufschale wurde 1935 von Dr. Willgrod gestiftet, der Osterleuchter 1987 von Carla Peters, Mölme. Er trägt die Kerze aus dem letzten Osternachtsgottesdienst. Über dem Taufstein hängt die Tafel mit den Namen der Hoheneggelser Pastoren, die vor dem Altar in der Wehrkirche beigesetzt wurden. Seit 1850 haben sie ihre Ehrengrabstätten direkt vor der Kirche. Erst mit der Schließung des alten Friedhofs endet diese seltene Tradition.

Zentrum lutherischer Lehre ist die Predigt des Wortes Gottes. Die barocke Kanzel wurde in einem festlichen Weihnachtsgottesdienst 1675 von Pastor Zacharias Klare (dessen Wappen sich gegenüber im Fenster über der Eingangstür befindet) eingeweiht. Die Prediger auf dieser Kanzel werden bis heute „getragen“ von den vier Evangelisten, den Aposteln Paulus und Petrus sowie dem Märtyrer Stephanus.

In der Mitte des Chorraumes stehen wir unter dem 1656 von Hans Schoke gestifteten Kronleuchter, der vom Hoheneggelser Dorfwappen gekrönt wird. Während des Zweiten Weltkrieges überstand der Leuchter, versteckt auf dem Hof von Wilhelm Rose, die Metallabgabe.

Nun zieht der 1675 errichtete und im Jahre 2003 wieder in den Originalzustand versetzte barocke Altar unsere Blicke auf sich: Meister Pickardt in Braunschweig malte die drei Altarbilder Abendmahl, Kreuzigung und Auferstehung im Geiste des neuen „Windes“ der Reformation (erkennbar an den geschwungenen Gewändern und Lendentüchern). Zwei der vier Altarleuchter, die 1674 umgegossen und erneuert worden waren, fielen im letzten Krieg der Metallabgabe zum Opfer, konnten nach dem Krieg aber von Helene Ohlms zurück geholt werden.

Auf dem Chorgestühl, ebenfalls 2003 restauriert, sind die Ehrenplätze des Kirchenvorstandes und besonderer Persönlichkeiten des Ortes. Am Tag ihrer Konfirmation sitzen hier auch die Konfirmanden.

Beidseitig des Altars erinnern die von Karl und Anna Meyer 1959 gestifteten Chorfenster mit den Motiven von Ähren und Weinstock an die Elemente des Heiligen Abendmahls.

Eine alte Eichentür führt vom Chorraum in die Sakristei, eine eindrucksvolle gotische Beichtkapelle mit eigenem Altar. Vier in Stein gehauene Fratzen tragen das Kreuzgewölbe und dienen nach altem Glauben der Abwehr böser Mächte. Hier bereitet sich der Pastor auf die Verkündigung des Gotteswortes vor und erreicht durch eine Tür den Aufgang zur Kanzel.

Uns fallen nun auch die mit den Bitten des Vaterunsers oder anderen wichtigen Bibelsprüchen verzierten Lampen auf, die auch die Wände der Emporen und die Treppenaufgänge der ganzen Kirche schmücken.

Adresse

Am Messeberg
31185 Hoheneggelsen